Abstract:
Für drei Tage, zur Vorbereitung der Beerdigung, ist Olga aus der Stadt herauf ins Schulhaus gekommen, nach Hause zum Va- ter, dem Lehrer, der sich zu Tode gesoffen hat, weil nichts übrig geblieben ist vom Traum vom besseren Leben und von dem Ausruf "Hinaus in die Welt!" Olga fühlt sich fremd zu Hause, unter den Bauern des Dorfes, den Daheimgebliebenen, die sie kennt von Kindesbeinen an und die jetzt im Sterbezimmer das Totengebet für den Vater herunterzuleiern und ihr nicht den üblichen Trauerrespekt zugestehen, ihr nicht ins Gesicht sehen, weil sie hinuntergegangen ist ins Tal, in die Stadt und ausgerechnet zu einem Walschen, einem Italiener, mit dem zusammen sie eine Cafeteria betreibt. Aber auch dort, unter den Italienern, ist sie fremd, spürt sie das Anders- sein, das Auskommenmüssen mit ihrem sparsamen Gesten und wenigen Worten. Und immer das Gefühl, mit Freundlichkeit ge- duldeter Gast zu sein, und nachts, neben Silvano, die Frage: was bin ich was mach ich wo gehör ich hin. Und was ist das, Heimat, die von den Dörflern ständig im Munde geführt wird und zugleich zerstört mit immer neuen Urlaubspensionen und hastig hochgezogenen Hotels. Je näher der Tag der Beerdigung rückt, desto bedrängender werden die Fragen, Erinnerungen, Zweifel und manchmal auch die Angst. Beim Totenessen dann, nach dem Begräbnis, als die Bauern die Trauernde fast allein zwischen den Gedecken an den langen weißen Tischen sitzen lassen, saufend und lärmend um die Theke herumstehen, weiß sie: ins Dorf, in die Jahre der Kindheit, führt kein Weg mehr zurück.
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